Stillen in der Öffentlichkeit – verboten?

Das Thema Stillen in der Öffentlichkeit erhitzt zur Zeit einige Gemüter. Gerade eben findet sich folgender Artikel im Stern (heute am 22.02.2016 auch in der NW):

Öffentlich stillen – Café oder Kämmerlein – Streit ums Stillen tobt im Prenzlauer Berg

Völlig normal oder ekelhaft? Deutschland diskutiert, ob das Stillen in Cafés in Ordnung geht. Auf mehr Akzeptanz für junge Mütter hofft nicht nur die Initiatorin einer Petition.

Kinderhasser – hier? Im gutbürgerlichen Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, wo es selbst im Februar auf Spielplätzen nur so wuselt und man die Kleinsten in den hippen Coworking-Space mitbringt? Wo Mütter samt Anhang und Bioladen-Einkauf an jeder Ecke zu sehen sind? Hier, sagt Johanna Spanke. Vor einer Woche sind die 30-Jährige und ein Café-Betreiber beim Thema Stillen aneinandergeraten – es war der Start einer großen Netz-Debatte.

Inzwischen tut es kaum noch etwas zur Sache, dass die Streithähne in der Stillfrage zwei Versionen der Geschichte erzählen: Der Betreiber sagt, es gebe kein pauschales Stillverbot, doch die Frau habe im Schaufenster blankgezogen. Spanke dagegen sagt, sie sei schon auf das Stillverbot hingewiesen worden, bevor sie überhaupt saß. Aussage gegen Aussage. Während das Café online nun mit Negativkommentaren geflutet wird, gibt sich die Presse bei Spanke die Tür in die Hand.
Das Foto zur Petition, auf dem Spanke mit ihrem langen blonden Haar mit aufgeknöpfter Bluse ihren Sohn stillt, taugt für Titelseiten. Dazu hat sie auch noch ein sehr freundliches Lachen. Erwartet habe sie den ganzen Trubel nicht, sagt sie. Und auch dem Café-Betreiber wolle sie nichts Böses. Ihr geht es um die Frage: Was kann eine Mutter tun, der das öffentliche Stillen verwehrt wird?

Stillverbote sind Diskriminierung

Ebenso die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die Stillverbote als Diskriminierung von Frauen wertete. Auch die Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kam bereits im Vorjahr zu dem Schluss, dass öffentliches Stillen wie in anderen Ländern unter rechtlichen Schutz gestellt werden sollte. Mehr Sicherheit und die Möglichkeit zu juristischen Schritten biete das.

Eine Stillumfrage von 2015 unter 13.000 Müttern weltweit zeigt, dass Erfahrungen wie die von Spanke kein Einzelfall sind: Eine von je vier Befragten gab an, sie sei offen kritisiert worden oder habe Vorurteile bemerkt, weil sie in der Öffentlichkeit stillte. Rund ein Drittel sagte, dass ihnen öffentliches Stillen peinlich sei. Dabei empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), mindestens in den ersten sechs Monaten ausschließlich zu stillen und insgesamt zwei Jahre.

Im Prenzlauer Berg, zwischen all den Müttern, sei das Stillen eigentlich kein Problem, berichten Frauen auf der Straße. Da säßen immer wieder mal stillende Frauen, sagt eine Bäckerei-Verkäuferin mit Blick auf die Sitzplätze am Fenster. Und berlinert pragmatisch: „Et kommt immer druf an, wie man det macht.“ Eine junge Mutter aus der Nachbarschaft hat wie viele Passanten von dem Streit bisher gar nichts mitbekommen. Ein Gesetz fürs Stillen? „Affig“, meint sie, dass man so etwas nicht auf zwischenmenschlicher Basis klären könne. (bal/GiselaGross, DPA)

 


Meine Gedanken zum Thema: 

STILLTOLStillen in der Öffentlichkeit – Schamlos? Ja, ohne Scham!

Bei mir liegen die Stillzeiten zwar schon einige Jahre zurück, dennoch ist mir eine Geschichte besonders in Erinnerung geblieben. Beim Einkaufen in der Stadt wurde mein dritter Sohn (natürlich) irgendwann hungrig und ich fragte in dem Bekleidungsgeschäft, in dem ich mich gerade aufhielt, nach einer Möglichkeit zum Stillen: Die Verkäuferin wollte mich mit meinem Baby auf die Toilette schicken. Als ich sie daraufhin fragte, ob sie ihr Pausenbrot auf dem Klo essen wolle, machte sie ein überraschtes Gesicht und fand einen geeigneteren Ort für uns auf einem Sessel in einer Ecke bei den Anprobekabinen.

Ich denke, zum Teil begegnen Stillenden solche Reaktionen aus Nachlässigkeit, Unüberlegtheit, Unsensibilität und dem viel zu seltenen Bild einer stillenden Mutter in unserer Gesellschaft. Das an sich ist schon traurig genug. Kommt es dann aber, wie oben im Zeitungsartikel berichtet (und solche Geschichten höre ich immer wieder), zur Diskriminierung von stillenden Frauen, dann halte ich es für notwendig, dagegen aufzubegehren und, wenn nötig, ein Gesetz zum Schutze für stillende Mütter zu verabschieden. Erschreckend, dass wir anscheinend ein solches benötigen.

Dabei ist nicht zu vergessen: Stillen ist ein Menschenrecht! Auch der ganz kleine Mensch hat ein Recht auf Nahrung; je jünger er ist, desto weniger kann er auf die Erfüllung seiner Grundbedürfnisse warten. Die Flasche darf in der Öffentlichkeit gegeben werden, auch Erwachsene essen in der Öffentlichkeit, warum aber darf nicht gestillt werden?!
Ich frage mich, was mit den Menschen los ist, die die weibliche Brust einzig als Sexobjekt sehen…

Jede Frau sollte frei für sich selbst entscheiden können, ob sie in der Öffentlichkeit stillt, aber sie sollte wirklich die Wahl haben und nicht dazu gezwungen sein, nur noch in den eigenen vier Wänden stillen zu dürfen. Stillen in der Öffentlichkeit sollte niemandem peinlich sein müssen, sondern (wieder) als Selbstverständlichkeit gesehen werden.

Übrigens: Ohne Stillen gäbe es unsere Menschheit gar nicht!


Links zu weiteren Artikeln:

Auch die Nationale Stillkommission hat sich mit dem Thema beschäftigt:
Stillen in der Öffentlichkeit sollte ungestört möglich sein (Stellungnahme vom Juni 2015)

In der Zeitschrift Eltern: „Stillen verboten?“

Auf den Seiten der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS):
Mangelware Muttermilch

Petition „Öffentliches Stillen“ durch eine AFS-Frau schon im Jahr 2012

Schöne gute böse Brust – Kulturgeschichte eines Körperteils

Warum stillen Mütter in Deutschland so kurz?

 

 

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